Bonn, 19.05.2025
Bericht „Interconnected Disaster Risks 2025“ wurde veröffentlicht
UN-Bericht stellt dringende Notwendigkeit von fünf tiefgreifenden Veränderungen für eine sichere Zukunft fest
Wenn die gängigen Lösungsansätze nicht die Lösung sind:
Neue Theorie des tiefgreifenden Wandels zeigt auf, welche gesellschaftlichen Strukturen und Denkweisen hinter globalen Krisen stecken und wie eine nachhaltige Zukunft gestaltet werden kann.
Angesichts zunehmender Ungleichheiten und sich verschärfender Krisen wie Klimawandel, Verlust der Artenvielfalt und Umweltverschmutzung präsentiert ein neuer Bericht der Vereinten Nationen einen umfassenden Ansatz für gesellschaftliche Veränderung.
Die diesjährige Ausgabe des lnterconnected Disaster Risks Berichts hat den Titel "Turning Over a New Leaf" ("ein neues Kapitel aufschlagen"). Damit setzt der Herausgeber, das Institut für Umwelt und menschliche Sicherheit der UN-Universität (UNU-EHS),den Schwerpunkt der Publikation anstattauf Problemdiagnose auf konkrete Lösungswege. Der Bericht stellt fest, dass viele Lösungsansätze, die heutzutage zur Anwendung kommen, um den größten Problemen der Gegenwart zu begegnen, zu oberflächlich sind. Um einen dauerhaften Wandel herbeizuführen, müsse man stattdessen die gesellschaftlichen Strukturen und Denkweisen hinterfragen, die zu diesen Problemen geführt haben und die sie weiterhin aufrechterhalten.
"Die Gesellschaft steht an einem Scheideweg," sagt Professor Dr. Shen Xiaomeng, Direktorin von UNU-EHS. "Seit Jahren warnen uns Wissenschaftler, dass wir unserem Planeten Schaden zufügen. Auch viele Lösungswege sind bekannt,aber wir lassen uns nur begrenzt darauf ein. Wir wissen, dass sich der Klimawandel verschärft,doch derVerbrauch fossiler Brennstoffe erreicht immerneue Rekordhöhen. Wir haben längst ein Abfallproblem, und dennoch wird sich diejährliche Haushaltsmüllmenge bis 2050 voraussichtlich sogar noch verdoppeln. Immer wieder sehen wir die Gefahr, die vor uns liegt,und bewegen uns dennoch weiter auf sie zu. Bildlich gesprochen sehenwir den Abgrund vor uns, wissen, wie wir umkehren können,und dennoch gehen wir selbstsicherweiter auf ihn zu. Warum verhalten wir uns so?"
Um diese Frage zu beantworten, nimmt der Bericht eine tiefgehende Analyse dessen vor, was dem menschlichen Handeln zugrunde liegt und er zeigt auf,wie ein echter Wandel erreicht werdenkann. Zudem beinhaltet er viele praktische Beispiele positiver Veränderungen aus der ganzen Weit, die als Inspiration dienen können.
Die Theorie des tiefgreifenden Wandels
Die letzte Ausgabe von lnterconnected Disaster Risks warnte vor Risikokipppunkten, die, wenn sie erreicht werden, zum Teil irreversible Veränderungen mit sich bringen werden. in diesem Jahr knüpfen die Autoren an den letzten Bericht an,indem sie einen Weg nach vorn entwickeln: Die Theory of Deep Change (ToDC),auf Deutsch "Theorie des tiefgreifenden Wandels".
Diese in U-Form dargestellte Theorie beschäftigt sich mit ernsten globalen Problemen und spürt deren tiefer liegende Ursachen auf. Dabei werden die gesellschaftlichen Strukturen und Denkweisen beleuchtet, die erst zu diesen Problemen geführt haben und die heute dazu führen, dass sie fortbestehen. Wenn zum Beispiel ein Fluss so sehr mit Plastikmüll verstopft ist, dass es zu katastrophalen Überschwemmungen kommt, könnte man das Abfallmanagementsystem kritisieren und mehr Recycling fordern. Die Theorie des tiefgreifenden Wandels gehtjedoch noch weiter: Sie identifiziert zunächst die Strukturen, die die Anhäufung von Abfall überhaupt erst ermöglichen, wie z. B. Einwegartikel oder Massenproduktionssysteme. Dann geht sie tiefer auf die Annahmen ein, die zur Entstehung dieser Systeme geführt haben und die die Menschen dazu veranlassen,sie aufrechtzuerhalten. Dazu gehören beispielsweise die Überzeugungen, dass Neues besser ist als Altes oder dass materielle Produktion und Konsum ein Zeichen von Fortschritt sind.
Der Wandel beginnt an den Wurzeln
Die Wissenschaftler vergleichen ihr Modell mit einem Baum, bei dem die sichtbaren Ergebnisse die Früchte sind, aber die eigentlichen Probleme in den Wurzeln liegen: Faule Wurzeln bringen faule Früchte hervor.
Echter Wandel, so betont der Bericht, beginnt an den Wurzeln. Ohne ein Umdenken der Werte und Denkweisen, die diesen Systemen zugrundeliegen, werden sich die Systeme selbst nicht ändern. Maßnahmen wie Recycling oder Naturschutz werden unzureichend bleiben, weil sie nur oberflächliche Lösungen sind,die aber nicht die Ursachen der zunehmenden Müllmenge und des Verlusts der Artenvielfalt angehen. Die Menschheit kann sich nicht durch Recycling allein aus der Plastikkrise befreien, ohne zu hinterfragen,warum überhaupt so viel Plastikmüll produziert wird.
Caitlyn Eberle,eine der Hauptautorinnen des Berichts, bemerkt: "Es gibt viele Menschen, die versuchen, die Weit zum Besseren zu verändern. Aber bei allen Versuchen, das Richtige zu tun, kann der Eindruck entstehen, dass wir gegen Windmühlen kämpfen. Wenn wir das Gefühl haben, dass sich die Dinge nicht in die richtige Richtung bewegen,liegt es nahe, sich geschlagen zu geben. Unser Bericht zeigt, dass viele der von uns ergriffenen Maßnahmen, so gut unsere Absichten auch sind, nicht den gewünschten Erfolg bringen können, solange ein ganzes System gegen uns arbeitet. Wir müssen tiefer gehen, uns die Weit vorstellen, in der wir leben wollen,und die Strukturen so verändern, dass sie dieser Vision entsprechen."
Oberflächliche Lösungen erkennen und tiefgreifende Lösungen angehen
Das solare Geoengineering ist ein im Bericht genanntes Beispiel dafür, dass Lösungsansätze, die nicht tief genug gehen, nicht nur weniger effektiv sind, sondern auch zu neuen Problemen führen können. Gegenwärtig wächst das Interesse an der Erforschung und dem Einsatz von Technologien des solaren Geoengineerings. Dabei werden zum Beispiel Aerosole, schwebende Partikel,in der Stratosphäre der Erde ausgebracht,um einen Teil des Sonnenlichts in den Weltraum zurück zu reflektieren und dadurch die globalen Durchschnittstemperaturen zu senken. Dieser Ansatz, der als Lösung für den Klimawandel gepriesen wird, kann allerdings für uns kaum abzuschätzende Auswirkungen auf das Wettergeschehen auf der ganzen Weit haben.
Aus der Perspektive der Theorie des tiefgreifenden Wandels betrachtet,ist das solare
Geoengineering ein Versuch, das bestehende System beizubehalten, anstatt sich für die eigentliche Lösung zu entscheiden. Indem es sich auf die negativen Folgen menschlichen Handeins (globale Erwärmung) konzentriert,anstattauf das Handeln selbst (Verbrennen fossiler Brennstoffe), stellt es eine oberflächliche Lösung dar. Darüber hinaus ist es, wenn es von einzelnen Regierungen oder Unternehmen umgesetzt wird, ein Beispiel für eine Entscheidung einzelner Akteure im Alleingang, die in einem Teil der Welt getroffen wird und die weitreichende und unabsehbare Folgen für andere Teile der Weit haben kann.
Fünf tiefgreifende Veränderungen
Der Bericht skizziert fünf Bereiche, in denen tiefgreifende Systemische Veränderungen dringend erforderlich sind:
• Abfall neu denken: Vom Müll zum Wertstoff
• Rückbesinnung auf die Natur: Von Trennung zu Harmonie
• Verantwortung überdenken:Vom Ich zum Wir
• Die Zukunft neugestalten: Von Sekunden zu Jahrhunderten
• Wert neu definieren: Von wirtschaftlichem Wohlstand zu planetarer Gesundheit
Hebel ansetzen: Wie man den Wandel herbeiführt
Um einen wirklich nachhaltigen Wandel herbeizuführen, benennt die Theorie des tiefgreifenden Wandels zwei Arten von Hebeln, die helfen Veränderungen zu bewirken: innere und äußere Hebel. Es ist zwar möglich,mit nur einem dieser Hebel zu beginnen, aber für einen dauerhaften Wandel sind letztlich beide erforderlich.
• |
|
Innere Hebel: Innere Hebel betätigen wir, wenn wir bei den Denkweisen und Annahmen ansetzen, die unseren gesellschaftlichen Systemen zugrunde liegen. Dazu gehört auch ein Paradigmenwechsel, der die Menschen dazu bringt, die Grenzen des Möglichen neu zu definieren. |
• |
|
Äußere Hebel: Äußere Hebel setzen die neuen Ziele eines Systems in praktische Strukturen um, die zu den gewünschten Veränderungen führen. Dazu gehören zum Beispiel entsprechende neue Strukturen in der Politik,in Institutionen oder im Bildungswesen. |
ln Bezug auf das bereits erwähnte Beispiel des solaren Geoengineerings würde ein innerer Hebel dazu führen, dass wir nicht mehr in erster Linie unsere eigenen Interessen verfolgen, sondern uns als verantwortungsbewusste Menschen sehen, die sich um die globale Gemeinschaft kümmern. Äußere Hebel würden bedeuten, dass politische Strukturen und Verpflichtungen für eine internationale Kooperation zur Lösung globaler Probleme geschaffen werden. Beides zusammen ist notwendig, um einen tiefgreifenden Wandel herbeizuführen, der von Dauer ist und zu einer besseren Zukunft führt.
Hindernisse überwinden
Der Bericht räumt ein, dass tiefgreifende Veränderungen in der Größenordnung, die erforderlich sind,nicht ohne Widerstände und zeitweilige Rückschritte erreichbar sind. Eine Herausforderung für den Wandel i st die Umbauphase,das so genannte "Delta of Doom"- selbst wenn Lösungen klar sind und der Wandel bereits im Gange ist,kann die Umsetzung durch lnteressenkonflikte, Angst und systemische Trägheit ins Stocken geraten. Das Delta of Doom ist damit auch eine Erklärung für den starken Gegenwind, der vielen längst in die Wege geleiteten Umbrüchen heute entgegensteht.
Der Schlüssel zur Überwindung solcher Hindernisse liegt in der Erkenntnis, dass ein Wandel bereits stattfindet und es überall auf der Welt bereits Beispiele dafür gibt. Auch wenn die Veränderung eine große Aufgabe ist,können Menschen gesellschaftliche Systeme verändern, schon allein deswegen, weil sie auch von Menschen gemacht worden sind.
"Veränderungen sind nicht immer einfach, aber wir werden die Herausforderungen einer sich schnell entwickelnden Welt nicht lösen, indem wir Rückschritte machen," sagt Prof. Dr. Zita Sebesvari, eine weitere Hauptautorindes Berichts. "ln diesem Bericht geht es nicht nur darum, Katastrophen zu vermeiden - es geht darum, sich von der Denkweise zu lösen, dass wir Schadensbegrenzung betreiben müssen. Wir beschränken uns selbst,wenn wir uns nur darauf konzentrieren, das Schlimmste zu verhindern, anstatt das Beste anzustreben. Indem wir die Ursachen der Probleme angehen,die globale Zusammenarbeit fördern und an unsere kollektive Kraft glauben,können wir eine Weit gestalten,in der künftige Generationen nicht nur überleben, sondern ein wirklich gutes Leben führen. Es ist an der Zeit, umzudenken und ein neues Kapitel aufzuschlagen."
Anhang
Weitere Informationen zu den fünf tiefgreifenden Veränderungen
1. |
|
Abfall neu denken: Einer der Hauptgründe für das Müllproblem der Erde ist das so genannte "Take-make-waste"-Modell: Rohstoffe werden gewonnen, zu Produkten verarbeitet,benutzt und weggeworfen. Diese Vergehensweise ist nicht nachhaltig und erzeugtjährlich 2 Milliarden Tonnen Haushaltsabfälle- genug,um eine Reihe von Schiffscontainern zu füllen, die 25-mal um den Äquator reicht. Der Bericht kommt zu dem Schluss, dass das Konzept von "Abfall" grundlegend überdacht werden muss. Statt des linearen "Take-make-waste"-Modells braucht es eine Kreislaufwirtschaft, bei der Haltbarkeit, Reparatur und Wiederverwendung im Vordergrund stehen. Kamikatsu,Japan, wird als Erfolgsmodell hervorgehoben, eine Stadt, die Maßnahmen wie Kompostierung, Upcycling, Kleidertausch und Abfalltrennung konsequent eingeführt hat, um Abfall möglichst zu vermeiden und zu recyceln. Die Stadt hat eine viermal höhere Recyclingrate als der Rest Japans erreicht. Der Bericht warnt, dass Ressourcen nicht in Gebrauch zu halten auch ihre zukünftige Verfügbarkeit beeinträchtigen. Lithium beispielsweise, das in Batterien für wiederaufladbare Geräte wie Handys verwendet wird, wird in großen Mengen abgebaut, aber selten wiederverwendet. Nach derzeitigen Schätzungen werden die Lithiumreserven bis etwa 2050 erschöpft sein. Gleichzeitig wird prognostiziert, dass über 75 Prozent des bis 2050 geförderten Lithiums im Müll landen werden. Damit erschöpfen wir einerseits die Lithiumreserven und verschwenden gleichzeitig das bereits verwendete Lithium, indem wir es entsorgen. |
2. |
|
Rückbesinnung auf die Natur: Große Teile der Menschheit sehen sich nicht als Teil der Natur,sondern als von ihr getrennt und ihr gegenüber überlegen. ln der Kosequenz hat der Mensch versucht, natürliche Prozesse zu kontrollieren, anstatt mit ihnen zu koexistieren. Die jahrhundertelange Ausbeutung hat aberzur Abholzung der Wä Ider, zum Artensterben und zum Zusammenbruch von Ökosystemen geführt. Durch die Zerstörung der Natur werden viele der wertvollsten Ressourcen vernichtet,die der Mensch zum Überleben braucht, wie z.B. saubere Luft und sauberes Wasser, Nahrungsmittel oder Baumaterialien. Ein Beispiel aus dem Bericht ist die Kanalisierung von Flüssen, ein Prozess,bei dem Flüsse begradigt werden,um die Schiffbarkeit zu verbessern, mehr landwirtschaftliche Flächen zu schaffen oder Städte vor Überschwemmungen zu schützen. ln den 1960er Jahren wurde der Kissimmee River in Florida, USA, kanalisiert, wodurch rund 160 Quadratkilometer Feuchtgebiete ausgetrockneten und ein massiver Artenrückgang zu verzeichnen war. Eine solche Kanalisierung wird häufig vorgenommen, um Überschwemmungen in einem Gebiet zu verringern, allerdings führt sie gleichzeitig häufig zu einer Verschlimmerung der
Überschwemmungen für flussabwärts gelegene Gemeinden. Der Kissimmee River ist aber auch ein positives Beispiel, da die Kanalisierung zunehmend rückgängig gemacht wird: Nach der jüngsten Renaturierung sind Feuchtgebiete und mit ihnen auch dort lebende Arten zurückgekehrt. Zudem wurden Korridore wiederhergestellt, die Panther und Bären für freie Bewegung nutzen. Die wiederhergestellten Feuchtgebiete funktionieren wieder wie ein Schwamm, der Milliarden Liter Wasser speichert. Dies hilft bei Stürmen, Überschwemmungen zu verhindern, was besonders wichtig ist, da Hurrikans immer häufiger und heftiger werden. |
3. |
|
Verantwortung überdenken: Mehr als 8 Milliarden Menschen leben auf der Welt, aber Ressourcen und Chancen sind ungleich verteilt. Diese Ungleichheit erstreckt sich auch auf Treibhausgasemissionen und die Art und Weise, wie sich die Auswirkungen des Klimawandels bemerkbar machen. Die reichsten Nationen und Einzelpersonen tragen unverhältnismäßig stark zu den Emissionen bei, während die Ärmsten die Hauptlast der klimabedingten Katastrophen tragen. Ein Beispiel, das in dem Bericht hervorgehoben wird, ist die C02-Kompensation ("carbon offsetting"). Hierbei vermeiden es reichere Länder, ehrgeizigere Klimaziele zu entwickeln, indem sie ihre eigenen Emissionen beispielsweise durch das Pflanzen von Bäumen in einem anderen Teil der Weit ausgleichen und damit auch etwaige negativen Auswirkungen auf diese anderen Länder verlagern ("Kohlenstoffkolonialismus"). Der Bericht fordert eine Abkehr von Individualismus und Unilateralismus hin zu kollektiver globaler Verantwortung und plädiert für eine multilaterale Vision für die Zukunft. |
4. |
|
Die Zukunft neugestalten: Kurzfristiges Denken -das Problem des "Präsentismus"- dominiert die Entscheidungsfindung. Da die Gesellschaft dazu neigt,sich auf das Hier und Jetzt zu konzentrieren, schieben wir die Verantwortung oft auf künftige Generationen ab. Dabei bestimmen die heute lebenden Mensc hen die Lebensbedingungen für die Billionen von Menschen, die noch gebor en werden, und in vielerlei Hinsicht werden wir den künftigen Generationen eine Welt mit noch mehr Herausforderungen hinterlassen, anstatt sie für den Erfolg vorzubereiten. Ein Beispiel, das in dem Bericht hervorgehoben wird, ist der Atommüll. Während einige die Kernenergie als saubere und nachhaltige Alternative zu fossilen Brennstoffen ansehen, produziert sie auch radioaktive Abfälle mit einer Lebensdauer von über 100.000 Jahren. Bislang hat die Menschheit noch keine Möglichkeit gefunden, diese giftigen Abfälle ordnungsgemäß zu entsorgen, so dass sie meist in Zwischenlagern deponiert werden, die Risiken für die Eindämmung bergen, in der Hoffnung, dass künftige Generationen das Problem lösen werden. Der Bericht drängt auf ein langfristigeres Denken, z. B. durch die Institutionalisierung von Zukunftsvisionen in der politischen Entscheidungsfindung. |
5. |
|
Wert neu definieren: Die Welt wird reicher, das weltweite BIP steigt, aber mehr globaler Reichtum ist nicht gleichbedeutend mit mehr globalem Wohlstand und Wohlbefinden. Die Vorteile werden nicht gleichmäßig verteilt, und die Gesundheit des Planeten nimmt ab. Der Bericht zeigt ein Ungleichgewicht der Werte auf, bei dem der wirtschaftliche Wert in der Regel über andere Werte gestellt wird. Als Beispiel werden die Wälder genannt, die die biologische Vielfalt sowie die Gesundheit und das Wohlergehen der Menschen fördern. Mancherorts wird jedoch entwaldetes Land bis zu 7,5 Mal mehr wertgeschätzt als bewaldetes Land, was zu einem starken wirtschaftlichen Druck auf die Wälder und zur Abholzung führt. Ein enger Fokus auf den monetären Wert schürt Ungleichheit und Umweltzerstörung und belastet die planetarischen Grenzen. Der Bericht zitiert alternative Modelle wie den Bruttonationalglücksindex von Bhutan, der dem Wohlbefinden und dem ökologischen Gleichgewicht Vorrang vor dem Wirtschaftswachstum einräumt. |
Zahlen und Fakten
Abfall neu denken:
• |
|
2 Milliarden Tonnen Haushaltsabfälle werden jährlich produziert |
• |
|
95% wenigerEnergie wird für die Herstellung von recyceltem Aluminium im Vergleich zur Primärproduktion benötigt |
• |
|
7,4 Millionen Tonnen Treibhausgasemissionen könnten im Vereinigten Königreich jährlich eingespart werden, wenn organische Abfälle nicht mehr auf Deponien entsorgt würden |
• |
|
80% Recyclingquote erreicht in Kamikatsu, Japan (4x so hoch wie der nationale Durchschnitt) |
Rückbesinnung auf die Natur:
• |
|
1 Million Arten von Pflanzen und Tieren sind vom Aussterben bedroht |
• |
|
95% der Erdoberfläche wurde durch menschliche Aktivitäten verändert |
• |
|
25.000 Kilometer Flüsse sollen in Europa bis zum Jahr 2030 in frei fließende Gewässer umgewandelt werden |
Verantwortung überdenken:
• |
|
75 % der relativen Einkommensverluste aufgrund des Klimawandels entfallen auf die ärmste Hälfte der Weltbevölkerung, obwohl sie nur für 12 % der Treibhausgasemissionen verantwortlich ist |
• |
|
98% Rückgang von ozonschädigenden Stoffen seit Inkrafttreten des Montrealer Protokolls |
• |
|
8,2 Milliarden Menschen leben derzeit auf der Erde |
• |
|
30% des Vorkommens derjenigen Mineralien, die weltweit für Produktion und Technologie wichtig sind, befindet sich in Afrika südlich der Sahara, doch über 30 % der dortigen Bevölkerung leben in großer Armut |
• |
|
1,3 Millionen Todesfälle durch COVID-19 hätten weltweit durch eine gerechte Impfstoffverteilung verhindert werden können |
Die Zukunft neugestalten:
• |
|
6,75 Billionen: Voraussichtliche Anzahl der Geburten in den nächsten 50.000 Jahren |
• |
|
7 Generationen: Das minimale Zeitfenster, das Mitglieder der indigenen Haudenosaunee-Konföderation bei der Entscheidungsfindung berücksichtigen |
• |
|
659 Milliarden USD: Weltweite Investitionen in erneuerbare Energien im Jahr 2023, ein Rekordhoch |
Wert neu definieren:
• |
|
100 Billionen USD: Globales BIP im Jahr 2022, ein enormer Anstieg von 4,5 Billionen USD im Jahr 1973 |
• |
|
10%:Anteil der Weltbevölkerung, der 76 % des weltweiten Vermögens besitzt |
Beispiele für Erfolgsgeschichten: Veränderung ist möglich
Neben den bereits erwähnten Beispielen werden in dem Bericht zahlreiche globale und nationale Initiativen hervorgehoben, bei denen es der Gesellschaft gelungen ist, tiefgreifende positive Veränderungen herbeizuführen, darunter:
• |
|
USB-C-Gesetz: Im Jahr 2022 verabschiedete die EU ein Gesetz, das die Verwendung von USB-C-Ladeanschlüssen für alle tragbaren elektronischen Geräte vorschreibt, um den Elektroschrott zu reduzieren |
• |
|
Kamikatsu Zero WasteCenter: Ein Zentrum für Abfallvermeidung in der japanischen Stadt Kamikatsu, das eine Recyclingquote von 80 Prozent erreicht hat |
• |
|
UK Peatland Conservation: Eine naturbasierte Lösung zur Erhaltung von Torfgebieten in Großbritannien, die sowohl den Ökosystemen als auch den Gemeinden zugute kommt |
• |
|
Earth Jurisprudence(Rechte der Natur): Im Jahr 2008 wurden in Ecuadors Verfassung einklagbare Rechte der Pachamama (Mutter Erde) verankert. In diesem Rahmen entschied ein Gericht, dass Überschwemmungen, die durch dasAbladen von Bauschutt in den Vilcabamba-Fluss verursacht wurden, gegen die Rechte der Natur verstießen, und ordnete die Beseitigung des Schutts an, um das Recht des Flusses zu fließen wiederherzustellen. |
• |
|
Montrealer Protokoll: Erfolgreiche Umkehrung der Zerstörung der Ozonschicht durch koordiniertes globales Handeln |
• |
|
The Aboriginal Carbon Foundation(Aborigine-Kohlenstoffstiftung): Von Indigenen geführte Initiative für die Bereitstellung von Carbon Credits (CO2-Zertifikate) |
• |
|
Finnlands Committee for the Future (Zukunftsausschuss) berät bei Gesetzentwürfen, die Auswirkungen auf mehrere Generationen haben |
• |
|
Svalbard Global Seed Vault: Schutz der biologischen Vielfalt für künftige Generationen durch eine weltweite Saatgutbank |
• |
|
Natur auf Rezept: In Ländern wie Kanada, Neuseeland und Japan stellen Ärzte „Green Prescriptions“ aus, indem sie Zeit in der Natur verordnen, um die Gesundheit zu fördern in Anerkennung der vielfältigen Werte, die die Natur bietet |
• |
|
Bhutan’s Gross National Happiness Index (Bruttonationalglück): Wohlbefinden und ökologisches Gleichgewicht haben Vorrang vor Wirtschaftswachstum in Bhutan |
• |
|
Rauchen: Beispiel für einen großen gesellschaftlichen Wandel, bei dem eine veränderte Denkweise und Vorschriften zusammenkamen, um ein ungesundes Verhalten drastisch zu reduzieren |
Über den Bericht lnterconnected Disaster Risks (#lnterconnectedRisks)
lnterconnected Disaster Risks ist ein wissenschaftlich fundierter Bericht, der so konzipiert ist, dass er für die breitere Öffentlichkeit zugänglich ist. Veröffentlicht wird er seit 2021 mit einem unterschiedlichen Thema in jeder Ausgabe. Der Bericht hat das Ziel, die Verbindungen zu beleuchten, die den globalen Krisen unserer Zeit zugrunde liegen, sowie Lösungsansätze aufzuzeigen. Der Bericht basiert auf wissenschaftlichen Analysen und enthält einen wissenschaftlichen Hintergrundbericht für jedes der Beispiele, die im Hauptbericht diskutiert werden. ln diesem Jahr gibt es somit fünft wissenschaftliche Hintergrundberichte zu den fünf Veränderungen. Der Hauptbericht, die Hintergrundberichte,eine Zusammenfassung, sowie begleitende Multimediamaterialien finden Sie auf interconnectedrisks.org
Über das Institut für Umwelt und menschliche Sicherheit der Universität der Vereinten Nationen (UNU-EHS)
Das Institut für Umwelt und menschliche Sicherheit der Universität der Vereinten Nationen (UNU-EHS) wurde 2003 in Bonn gegründet. Das Institut führt Forschung durch, die sich auf die Förderung der menschlichen Sicherheit und des menschlichen Wohlergehens konzentrieren, indem sie sich mit gegenwärtigen und zukünftigen Risiken befassen,die sich aus Umweltgefahren und dem Klimawandel ergeben. Die Schwerpunkte der Forschung sind Risiko & Anpassung und Transformation. Zusätzlich zu seiner Forschungsarbeit betreibt UNU-EHS Lehre in forschungsorientierten Masterstudiengängen und betreut eine R eihe internationaler
(Quelle: UNU-EHS United Nations University)