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© Die Fischauktionshalle in Hamburg während einer Sturmflut.
Quelle: BSH

Hamburg, 19.09.2024

BSH-Sturmflutwarndienst schützt Menschen und Güter an der Nordsee seit 100 Jahren

Der Sturmflutwarndienst für die Nordsee trägt zum Schutz von Leben und Gütern bei – nicht nur in Hamburg. Das Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) und seine Vorgängerinstitutionen betreiben ihn seit 100 Jahren. Eine öffentliche Ausstellung gewährt Einblicke in die Arbeit, Instrumente und Geschichte des Dienstes.

Dr. Peter Tschentscher, Erster Bürgermeister der Freien und Hansestadt Hamburg: „Für Hamburg und die gesamte Nordseeküste ist die Sturmflutwarnung unverzichtbar. Zusammen mit modernem Deichbau und effektivem Katastrophenschutz schützt sie die Menschen und wirtschaftlichen Werte im Norden. Mit einer Jubiläumsfeier zu Beginn der Sturmflutsaison lenkt das Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie die Aufmerksamkeit auf seine wichtige Arbeit und gibt Einblicke in seine Forschungstätigkeit. Ich danke dem Team des BSH und gratuliere herzlich zum 100. Jubiläum der Sturmflutwarnung.“

Im Herbst 1924 gab die Deutsche Seewarte, eine Vorgängerinstitution des BSH, die erste offizielle Sturmflutwarnung heraus. Seitdem ist eine telefonische Auskunftsstelle eingerichtet, die bei Sturmfluten durchgängig besetzt ist. Heute veröffentlicht der Wasserstandsvorhersagedienst des BSH in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Wetterdienst alle 6 Stunden das zu erwartende Hoch- und Niedrigwasser für 39 Pegel entlang der Nordseeküste und warnt vor drohenden Sturmfluten. Der Gezeiten- und Wasserstandsvorhersagedienst des BSH hat damit eine wesentliche Bedeutung für die öffentliche Sicherheit. Er gehört zur kritischen Infrastruktur Deutschlands.

Daniela Kluckert, Parlamentarische Staatssekretärin beim Bundesminister für Digitales und Verkehr: „Die dramatische Hochwasserlage in Mitteleuropa verdeutlicht, wie entscheidend präzise Vorhersagen und frühzeitige Warnungen vor Sturmfluten und Hochwassergefahren sind, um vorsorgliche Schutzmaßnahmen zu treffen. Warnsysteme wie die vom BSH sind unverzichtbar, um den folgenreichen Naturereignissen zu begegnen und die Sicherheit unserer Küstenregionen langfristig zu gewährleisten. Sie helfen uns Menschenleben zu retten und unsere Infrastrukturen vor Schäden zu schützen. Mittels neuer Technologien und Künstlicher Intelligenz können wir die Vorhersagegenauigkeit weiter steigern, um noch schneller auf gefährliche Wetterlagen zu reagieren.“

Das BSH investiert viel Zeit und Ressourcen, um bei den Wasserstandsvorhersagen noch besser zu werden. So sollen künftig mithilfe von Hochleistungsrechnern auch die Wahrscheinlichkeiten für den Eintritt eines Ereignisses angegeben und die Modellrechnungen weiter verbessert werden. Das ist für die Bürgerinnen und Bürger, aber auch für die jeweiligen Landesbehörden, die bei einer Sturmflutwarnung die entsprechenden Schutzmaßnahmen einleiten, besonders wichtig.

Anlässlich des hundertjährigen Bestehens des Sturmflutwarndienstes betont BSH Präsident Helge Heegewaldt: „Wir feiern heute 100 Jahre Sturmflutvorhersage, während in Polen, Tschechien, Österreich und Teilen von Bayern Menschen mit zum Teil verheerenden Hochwassern kämpfen. Wir verfolgen die Meldungen zu den Niederschlägen und Überschwemmungen. Von dem Ausmaß sind wir sehr betroffen. Im Binnenland lösen Starkregenfälle das Hochwasser aus. An der Nordseeküste verursacht ein besonderes Zusammenspiel von Windstärke, Windrichtung und Gezeiten Sturmfluten. Die Binnenhochwasser werden keine Auswirkungen auf mögliche Sturmfluten an der Nordsee und den jeweiligen Flüssen, auch nicht der Elbe, haben. Die Schadstoffe, die aus dem Land über die Flüsse in die Meere getragen werden, werden wir allerdings in einigen Monaten in unseren Untersuchungen von Nordsee und Ostsee sehen.“

Auf das Timing kommt es an: Sturmfluten entstehen nur durch starken Wind bei auflaufendem Wasser

Eine Sturmflut kennzeichnet nach Definition des BSH ein erhöhter Wasserstand von 1,5 m über dem mittleren Hochwasser. Dem folgt eine schwere Sturmflut ab 2,50 m und eine sehr schwere Sturmflut ab 3,50 m über dem mittleren Hochwasser.

Eine Sturmflut entsteht nur bei auflaufendem Wasser und Hochwasser. Gezeiten sind deshalb ein wichtiger Faktor. Wind aus einer bestimmten Richtung ist ein weiterer. Drückt er das Wasser Richtung Land und trifft das auflaufende Wasser dann zeitlich zusätzlich auf das Hochwasser, kann eine Sturmflut entstehen. Auch der Verlauf der Küstenlinie spielt eine Rolle. In der Deutschen Bucht laufen wegen ihrer trichterförmigen Struktur besonders häufig Sturmfluten auf – gerade bei Wind aus Nordwesten. Flache Buchten und Flussmündungen, bei denen das Wasser nicht nach links und rechts entweichen kann, begünstigen Sturmfluten zusätzlich.

Kommt es zu einer Sturmflut, gilt es, die Bevölkerung schnellstmöglich zu warnen, zu schützen und Schäden zu verhindern. Eine Sturmflut kann weitreichende Überflutungen verursachen. Gebäude, Straßen und Brücken können beschädigt werden. Auch die Strom- und Wasserversorgung sowie die Kommunikation können beeinträchtigt sein. Im schlimmsten Fall sind auch Menschen in Gefahr.

Warnungen per Böllerschuss und App

Sich oft kurzfristig verändernde Wetterphänomene machen Wasserstandsvorhersagen sehr komplex. Das Meer reagiert direkt auf Veränderungen der Windstärke und Windrichtung. Der Warndienst des BSH arbeitet deshalb eng mit dem Deutschen Wetterdienst zusammen. Aus Pegelbeobachtungen, Windmessungen und Windvorhersagen sowie den Ergebnissen des operationellen Modellsystems berechnet das BSH die Vorhersagen. Auch Satellitendaten und Daten der Messstationen des Marinen Umweltmessnetzes (MARNET) fließen in die Modelle ein.
Jeden Tag macht der Wasserstandsvorhersagedienst des BSH vier Vorhersagen für die kommenden sechs Tage. Sie stehen der Öffentlichkeit auf der BSH-Webseite zur Verfügung. Die Modelle und Daten werden mit Erfahrungswerten und der fachlichen Expertise der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler kombiniert. Bei Sturmfluten ist der Dienst rund um die Uhr besetzt.

Am Ende entscheidet der oder die Diensthabende darüber, ob eine Sturmflutwarnung herausgegeben wird. Bei einer Warnung werden die verantwortlichen Behörden sofort in Bereitschaft versetzt und leiten bei Bedarf Maßnahmen ein. Hier kommt die enge und vertrauensvolle Zusammenarbeit mit den Behörden der Länder zum Tragen.

Die Warnungen des BSH werden über das Internet, Radio, Fernsehen und Telefon verbreitet. Auch die Notfallinformations- und Nachrichten-Apps Nina, Katwarn und die Warnwetter-App des Deutschen Wetterdienstes verbreiten die Warnungen. In Hamburg wird, wie vor über 100 Jahren, zusätzlich per Böllerschussanlage gewarnt. Hierfür ist heutzutage die Hamburger Behörde für Inneres und Sport zuständig.

Hamburgerinnen und Hamburger haben seit 1950 bereits 465 Sturmfluten erlebt

Durchschnittlich gibt es an der Nordseeküste vier bis sechs Sturmfluten pro Jahr, mit großen Abweichungen zwischen den Jahren und Pegelorten: In Hamburg etwa variiert die Anzahl der Sturmflutereignisse aktuell zwischen 0 und 21 pro Jahr. Seit 1950 gab es insgesamt 465 Sturmfluten in der Stadt, die meisten davon in den Monaten Januar und Dezember.

Letzte Sturmflutsaison 2023/2024: Mit 13 Sturmfluten an der Nordseeküste war die Saison sehr aktiv

In der Saison 2023/2024 verzeichnete das BSH an der Nordseeküste 13 Sturmfluten. Damit war es eine sehr aktive Saison, begünstigt durch die Windbedingungen und den zeitlichen Zusammenfall mit dem Hochwasser. Die höchsten Wasserstände der jeweiligen Flut verzeichnete bei sechs von 13 Sturmfluten der Pegel Hamburg St. Pauli. Der höchste Wasserstand der Saison wurde hier am 22.12.2023 mit 3,33 m über dem mittleren Hochwasser gemessen. Damit lag eine schwere Sturmflut vor.

Trotz hoher Pegelstände entstehen heutzutage deutlich weniger Schäden als in der Vergangenheit. Die seit der Sturmflut 1962 ergriffenen Schutzmaßnahmen – insbesondere im Hafen Hamburg – zeigen also Wirkung.

Schutz vor Sturmfluten: Küstenbevölkerung muss sensibilisiert und informiert sein

Auf Länderebene zählen zu den Schutzmaßnahmen vor Sturmfluten speziell der Küstenschutz und Deichbau, der auch wegen des voranschreitenden Meeresspiegelanstiegs von großer Bedeutung ist. Die Warnung der Öffentlichkeit vor akuten Sturmfluten ist ein wichtiges Werkzeug für die aktuelle Information der Bevölkerung. Das BSH weist deshalb auf die gerade begonnene Sturmflutsaison hin.

Klimawandel: Sturmfluten könnten gegen Ende des Jahrhunderts zunehmen und werden mit Sicherheit höher auflaufen

Das BSH beobachtet bisher keine erhöhte Häufigkeit von Sturmfluten durch die fortschreitende Klimaerwärmung. Bis Ende des Jahrhunderts könnten sich aber die Wetterlagen vermehren, die zu einer Sturmflut führen können. Gesichert ist, dass Sturmfluten höher auflaufen werden, wenn sie durch den Meeresspiegelanstieg auf ein höheres Aufgangsniveau aufsetzen. Hierdurch können mehr Schäden entstehen. In den vergangenen 100 Jahren ist der Meeresspiegel beispielsweise in Cuxhaven um 20 Zentimeter gestiegen. Bis 2100 könnte der Meeresspiegel sich um ca. 1 Meter erhöhen – je nachdem wie der Klimawandel voranschreitet.

Sturmfluten sind für die Deutsche Bucht eine größere Gefahr als Tsunamis

Der Wasserstandsvorhersagedienst des BSH ist auch die nationale Kontaktstelle und das Warnzentrum für Tsunamis im östlichen Nordatlantik. Entsteht eine Gefährdung, gibt das BSH Informationen an den Bevölkerungsschutz weiter und bei Bedarf auch an das Auswärtige Amt, wenn es sich um Urlaubsregionen wie das Mittelmeer handelt.

Während die deutsche Küste für Sturmfluten prädestiniert ist, ist sie vor Tsunamis verhältnismäßig gut geschützt. Dies liegt an der geringen Wahrscheinlichkeit von Erdbeben, Vulkanausbrüchen oder Erdrutschen in der Umgebung. Eine eventuelle Tsunamiwelle würde durch die flache Struktur der Nordsee zudem gut abgefangen und die Küste mit einer Vorwarnzeit von sechs Stunden erreichen.

Ausstellung im BSH am 24.09.2024 und 28.09.2024 öffentlich und kostenfrei

Anlässlich des Jubiläums lädt das BSH alle Interessierten an zwei Ausstellungstagen dazu ein, Einblicke in seine Arbeit zu gewinnen. Am 24.09. von 09.00 bis 12.00 Uhr und am 28.09. von 09.00 bis 17.00 Uhr öffnet es seine Türen für die Öffentlichkeit und zeigt neben historischen Exponaten auch, wie Wasserstandsvorhersagen heute funktionieren. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler stehen dort für Fragen zur Verfügung. Wissenswertes rund um das Thema Sturmfluten, Live-Demonstrationen, Führungen durch die Vorhersagezentralen des BSH und DWD und Angebote für Kinder runden die Ausstellung ab. Seien Sie herzlich willkommen!

Weitere Informationen:
zur Ausstellung zum Jubiläum des Sturmflutwarndienstes >>>
zur Wasserstandsvorhersage Nordsee >>>
zur MARNET Seite >>>

Das Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) ist die maritime Behörde in Deutschland. Das BSH ist zuständig für Schifffahrt, Meeresschutz und nachhaltige Meeresnutzung, Offshore, Meeresvermessung, Meeresdaten und maritime Ressortforschung. 1000 Beschäftigte in über 100 unterschiedlichen Berufen engagieren sich an den Standorten in Hamburg und Rostock sowie auf fünf Vermessungs-, Wracksuch- und Forschungsschiffen.

Das BSH ist eine Bundesoberbehörde und Ressortforschungseinrichtung im Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Digitales und Verkehr (BMDV).

Das BSH. Schifffahrt. Klima. Daten. Und viel Meer.

www.bsh.de

(Quelle: BSH – Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie)