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Berlin/Potsdam, 21.06.2024

Frühjahrs-Innenministerkonferenz fasst Beschlüsse zu Asyl und Abschiebung, Schutz vor häuslicher Gewalt und Zivilschutz

Die Innenministerinnen und -minister, die Innensenatorin und die Innensenatoren der Länder haben auf ihrer Frühjahrskonferenz 2024 in Potsdam mit der Bundesinnenministerin über aktuelle innenpolitische Themen gesprochen und sich dazu auf zahlreiche Beschlüsse geeinigt. Schwerpunkte der Frühjahrs-IMK waren Asyl und Abschiebungen, Schutz vor häuslicher Gewalt, Strafverfolgung bei Cybermobbing und Stärkung des Zivilschutzes.

Plenarsitzung | © MIK BB | imk2024.de


Umfassende Prüfung zu Asylverfahren in Drittstaaten wird fortgesetzt: Bundesinnenministerium veröffentlicht Bericht und Stellungnahmen von Experten

Die Bundesregierung hat im Rahmen der Besprechung des Bundeskanzlers mit den Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder (MPK) über die bisherigen Ergebnisse der Prüfung berichtet, ob die Feststellung des Schutzstatus von Geflüchteten unter Achtung der Genfer Flüchtlingskonvention und der Europäischen Menschenrechtskonvention zukünftig auch in Transit- oder Drittstaaten erfolgen kann. Dieser Prozess wird fortgesetzt.

Bundesinnenministerin Nancy Faeser: "Das Gemeinsame Europäische Asylsystem ist ein Riesenschritt nach vorne und wird der Schlüssel zur Begrenzung irregulärer Migration sein. Damit sorgen wir für Begrenzung, Kontrolle, für einen starken Schutz der EU-Außengrenzen und eine gerechtere Verteilung innerhalb Europas. Die schnellstmögliche Umsetzung des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems hat daher weiter höchste Priorität."

"Wir werden die umfassende und ergebnisoffene Prüfung von Asylverfahren in Drittstaaten fortsetzen. Kooperationen mit Drittstaaten können ein weiterer Baustein der Migrationspolitik sein. Diese können aber ganz anders als das EU-Asylsystem keinen großen Effekt haben zur Begrenzung von Flüchtlingszahlen – das zeigen die bisherigen Erfahrungen Italiens und Großbritanniens.""

Das Bundesinnenministerium hat Möglichkeiten für Asylverfahren in Drittstaaten mit 23 nationalen und weiteren internationalen Expertinnen und Experten erörtert. Es haben vier Anhörungen sowie ein internationaler Austausch stattgefunden. Daran nahmen neben Migrations- und Rechtsexpertinnen und -experten auch Vertreterinnen und Vertreter von Dänemark, Großbritannien der EU-Kommission sowie des UN-Flüchtlingshilfswerks UNHCR und der Internationalen Organisation für Migration (IOM) teil. Bei der Auswahl der Sachverständigen wurden auch Vorschläge der Länder berücksichtigt. Die Sachverständigen decken ein breites Meinungsspektrum zu Migrations- und Rechtsfragen ab.

Der Sachstandsbericht fasst folgende bisherige Erkenntnisse zusammen:

Die Sachverständigen sehen die Durchführung von Asylverfahren in Drittstaaten wegen der rechtlichen und praktischen Hürden sowie Kosten, die die Unterbringung von Flüchtlingen in Deutschland wohl um ein Vielfaches übersteigen würden, überwiegend kritisch. Außerdem können mögliche Abschreckungseffekte, die zu weniger irregulärer Migration führen könnten, nach den Einschätzungen der Expertinnen und Experten nicht sicher vorhergesagt werden.
Die Expertinnen und Experten sind sich aber überwiegend einig, dass Asylverfahren in Drittstaaten grundsätzlich rechtlich möglich wären, wenn es Drittstaaten gibt, die die hohen rechtlichen Voraussetzungen des internationalen Rechts, insbesondere der Genfer Flüchtlingskonvention und der Europäischen Menschenrechtskonvention, erfüllen. Denn diese Maßstäbe müssen in einem Drittstaat erfüllt sein, damit Deutschland Personen dorthin überstellen kann.

Die nächsten Schritte sind:

Die Prüfung wird fortgesetzt und spielt auch im Rahmen der Umsetzung des neuen Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS) eine Rolle. Denn das Konzept des sicheren Drittstaats ist in der neuen Asylverfahrensverordnung vorgesehen. Im Rahmen der GEAS-Reform ist die EU-Kommission nach der Asylverfahrens-Verordnung verpflichtet, bis zum 12. Juni 2025 das Konzept des sicheren Drittstaats zu überprüfen. Auch hierzu wird es also auf EU-Ebene weitere Beratungen geben.
Weitere Erkenntnisse werden sich auch aus Informationen darüber ergeben, welche Ergebnisse die Vereinbarung zwischen Italien und Albanien sowie das britischen „Ruanda-Modells“ in der Praxis zeigen werden.

Der Vorsitzende der Innenministerkonferenz, Brandenburgs Innenminister Michael Stübgen: „Auf der Konferenz haben wir ausführlich über Maßnahmen im Bereich Asyl und Abschiebung gesprochen. Außerdem wird das Bundesinnenministerium gebeten, sich innerhalb der Bundesregierung für eine bundeseinheitliche gesetzliche Regelung zum Einsatz von Fußfesseln einzusetzen. Es soll verpflichtende Anti-Gewalt-Trainings geben und die verschiedenen Stellen verpflichtend zusammenarbeiten. Die IMK hat sich auch für die Einführung eines Cybermobbing-Straftatbestandes ausgesprochen. Cybermobbing ist ein wachsendes Phänomen, das bisher unterschätzt wird, obwohl es für die Opfer zu schwerwiegenden Auswirkungen in vielen Lebensbereichen führt. Darüber hinaus sieht die IMK das Quick-Freeze-Verfahren von Telekommunikationsdaten als unzureichend an – denn wo nichts in der Gefriertruhe ist, kann auch nichts eingefroren werden. Die Vorratsdatenspeicherung von IP-Adressen muss endlich eingeführt werden. Das sind wir den Opfern von Terror, sexuellem Missbrauch und anderen Formen von Hass und Gewalt schuldig.“

Bundesinnenministerin Nancy Faeser: „Wir haben gute und klare Beschlüsse erreicht. Zu unserem Kampf gegen Islamismus gehören ein massiver Ermittlungsdruck durch unsere Sicherheitsbehörden, aber auch Abschiebungen von islamistischen Gewalttätern und von Gefährdern. Das Sicherheitsinteresse Deutschlands steht hier klar an erster Stelle. Wir verhandeln vertraulich mit verschiedenen Staaten, um Abschiebungen von Gewalttätern und Gefährdern nach Afghanistan und Syrien schnellstmöglich durchzusetzen. Gesetzlich haben wir bereits umfassende neue Grundlagen für mehr Rückführungen geschaffen. Die aktuellen Abschiebezahlen liegen 30 Prozent über dem Vorjahr. Klar ist auch: Der Schlüssel zur Begrenzung der irregulären Migration, zur Kontrolle und Verteilung in Europa ist das neue Gemeinsame Europäische Asylsystem. Das setzen wir schnellstmöglich um. Ich freue mich außerdem über die große Klarheit, mit der wir Gewalt gegen Frauen gemeinsam bekämpfen. Es ist unerträglich, dass alle vier Minuten eine Frau in Deutschland Opfer von häuslicher Gewalt wird. Wir wollen mit verpflichtenden Anti-Gewalt-Trainings und elektronischen Fußfesseln für die Täter Frauen schützen und die Gewaltspirale stoppen.“

Andy Grote, Hamburgs Innensenator und Sprecher der Innenminister der SPD in der IMK: „Der Islamismus ist eine sehr ernsthafte Bedrohung, daher müssen wir sehr konsequent und sehr hart dagegen vorgehen. Das radikalislamische Weltbild von einem Kalifat, wie es zuletzt auf Versammlungen in mehreren Bundesländern postuliert wurde, ist mit keinem Buchstaben unseres Grundgesetzes vereinbar. Deshalb wollen wir hier eine Erweiterung der Straftatbestände Volksverhetzung und Verunglimpfung des Staates prüfen. Wer in solch aggressiv-martialischer Art und Weise einen totalitären Gottesstaat fordert und damit andere bedroht und auf-hetzt, begeht dann eine Straftat und darf sich nicht länger auf die Freiheit berufen, deren Abschaffung er zugleich propagiert. Zudem müssen wir einen Weg finden, für Straftäter, aber auch für Gefährder und islamistische Verfassungsfeinde Abschiebungen nach Afghanistan wieder aufzunehmen. Wer in dem Land, das ihm Schutz gewährt, selbst zur Gefahr für die Sicherheit wird, für den muss der Aufenthalt in Deutschland enden. Ich bin froh, dass unser Antrag, Straftäter und Gefährder auch nach Afghanistan und Syrien abzuschieben, so breite Unterstützung erfahren und das Bundesinnenministerium damit begonnen hat, auf Basis der von den Bundesländern gemeldeten Fälle die ganz konkrete Umsetzung von Rückführungen nach Afghanistan vorzubereiten. Darüber hinaus müssen wir mehr gegen Messerangriffe unternehmen und wollen deshalb Waffen- und Messerverbote in öffentlichen Bereichen ausweiten, das gilt insbesondere auch in Zügen.“

Joachim Herrmann, Bayerns Innenminister und der Sprecher der Innenminister von CDU und CSU: „Wir haben in diesen drei Tagen wichtige Fortschritte erzielt. Jetzt gilt es vor allem – und das adressiere ich vor allem an die Bundesregierung und das Auswärtige Amt – und die gesetzgeberischen und tatsächlichen Maßnahmen zu ergreifen, um die Fluchtmigration nach Deutschland nachhaltig einzudämmen und die Rückführung ausreisepflichtiger Personen deutlich auszuweiten. Dazu brauchen wir vor allem auch eine aktuelle Lagebewertung zur Situation in Syrien. Das Auswärtige Amt muss rasch die Schutzbedürftigkeit der von dort kommenden Menschen neu bewerten. Denn die Situation hat sich seit dem Beginn des Bürgerkriegs deutlich verändert. Mehrere EU-Staaten fordern schon längst eine Neubewertung der Situation in Syrien mit Blick auf die Frage der Schutzbedürftigkeit Geflüchteter sowie der freiwilligen Rückkehr. Das Auswärtige Amt muss hier nun rasch in die Gänge kommen. Wir haben auf der Innenministerkonferenz noch ein-mal klar bekräftigt: Die Bundesregierung muss zum Thema Bevölkerungsschutz endlich ein belastbares Konzept vorlegen. Es ist leider unzureichend, was bislang vorgelegt wurde. Es ist aus meiner Sicht auch falsch, dass die Mittel für das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe und das Technische Hilfswerk mehrfach und erheblich gekürzt wurden. Wir brauchen Investitionen des Bundes von 10 Milliarden Euro binnen 10 Jahren in Zivilschutzstrukturen und deren raschen Aufbau. Hier werden wir nicht lockerlassen.“

Den Bericht und die Stellungnahmen der Sachverständigen finden Sie hier >>>

(Quelle: BMI – Bundesministerium des Innern und für Heimat)