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Annalena Di Carlo ist stellvertretende Bundesjugendleiterin der THW-Jugend und die erste Frau seit zehn Jahren in der Bundesjugendleitung. Hier ist sie im Ahrtal im Einsatz.
© THW/Michael Matthes

Bonn, 10.10.2022

„Wir müssen Vorbilder schaffen“

Annalena Di Carlo ist stellvertretende Bundesjugendleiterin der THW-Jugend und die erste Frau seit zehn Jahren in der Bundesjugendleitung. Zum internationalen Mädchentag hat Di Carlo im Interview erklärt, welche Rolle Mädchen derzeit im THW einnehmen und wo ihrer Einschätzung nach noch Verbesserungsbedarf besteht.

Frau Di Carlo, Sie sind im Mai 2022 zur stellvertretenden Bundesjugendleiterin gewählt worden. Wann und wie sind Sie vorab zum THW gekommen?

Di Carlo: Im Jahr 2015 gab es an meiner Schule einen Ehrenamts-Tag, an dem wir uns über mehrere Blaulichtorganisationen informieren konnten. Wegen seiner großen Bandbreite an Einsatzmöglichkeiten hat mich das THW besonders fasziniert. Ich bin dann direkt in der darauffolgenden Woche zum Jugenddienst gegangen, wo mir sofort die tolle Gemeinschaft aufgefallen ist. Das ist auch bis heute das, was mich am THW am meisten begeistert.

Wie ist es danach für Sie im THW weitergangen?

Di Carlo: Ich bin dann der Jugendgruppe beigetreten und habe ein Jahr später meine Grundausbildung gemacht. Direkt im Anschluss habe ich einen Lehrgang als Jugendbetreuerin abgeschlossen und zwei Jahre lang selbst die Jugendgruppe in meinem Ortsverband geleitet. In dieser Zeit habe ich auch angefangen, mich auf Landesebene im Programm „Zusammenhalt durch Teilhabe“ des BMI zu engagieren, das regionale Projekte für demokratische Teilhabe fördert. Im Jahr 2018 musste ich die Jugendgruppe aufgrund meines Studiums abgeben, habe mich aber weiterhin im Programm als Demokratieberaterin in der Landesjugend engagiert und an vielen Projekten und Seminaren auf Bundesebene teilgenommen. 2020 bin ich dann zur ehrenamtlichen Referentin für Bildungsarbeit der Bundesjugendleitung ernannt worden. In diesem Jahr wurde ich zur stellvertretenden Bundesjugendleiterin gewählt.

In der THW-Jugend engagieren sich derzeit rund 15.800 Kinder und Jugendliche zwischen sechs und 17 Jahren. Davon sind nur knapp 20 Prozent weiblich. Im Jahr 2010 waren es noch knapp unter 15 Prozent. Hier ist zwar ein Anstieg zu verzeichnen, trotzdem sind immer noch vier Fünftel der Ehrenamtlichen in der Jugend männlich.

Wie haben Sie das in Ihrer Zeit als Jugendgruppenleiterin wahrgenommen?

Di Carlo: Tatsächlich ist mir das anfangs gar nicht so aufgefallen, da es recht viele Frauen in meinem Ortsverband und viele Mädchen in der Jugend gab. Auch in meiner Grundausbildung waren acht von 16 Teilnehmenden Mädchen in meinem Alter. Erst bei einem Impftermin im Rahmen der Grundausbildung ist mir richtig bewusst geworden, dass das nicht überall so ist. Damals haben uns viele Mitglieder anderer Ortsverbände auf unseren hohen Anteil weiblicher angehender Einsatzkräfte angesprochen. Im Laufe der Zeit ist es mir aber immer wieder aufgefallen, dass manche Jugendgruppen nur wenige oder sogar gar keine weiblichen Mitglieder haben.

Wie kann das THW Ihrer Meinung nach mehr Mädchen für sich gewinnen?

Di Carlo: Ich glaube, dass das THW und die THW-Jugend dafür schon einiges tun. Es gibt verschiedene Konzepte, um generell Junghelferinnen und -helfer zu gewinnen. Dazu zählen Angebote wie Blaulicht-AG an Schulen, Ausstellungen auf Stadtfesten, Tage der offenen Tür oder etwa der Girls‘ Day, der speziell Mädchen ansprechen soll. Wie und ob solche Konzepte umsetzbar sind, hängt natürlich auch von der Belastung beziehungsweise Auslastung der einzelnen Ortsverbände und Jugendgruppen ab. Insgesamt muss das Klima in den Ortsverbänden und Jugendgruppen stimmen. Wenn Mädchen sich für das THW und die THW-Jugend interessieren, sich aber im Ortsverband und der Jugendgruppe nicht wohlfühlen, dann werden sie sich nicht langfristig engagieren. Darum muss vor Ort ein Klima geschaffen werden, in dem sich alle wohlfühlen.

Wie lässt sich so eine Atmosphäre schaffen?

Um das zu erreichen ist es wichtig, die Mädchen und Frauen auf allen Ebenen zu beteiligen, um so Themen und Herausforderungen zu identifizieren. Einige Landesjugenden führen zum Beispiel „Mädchen-Wochenenden“ durch, bei denen sich die Teilnehmerinnen vernetzen können. An diesen Wochenenden geht es immer auch darum, die Mädchen gezielt zu fördern und Herausforderungen zu identifizieren, die speziell Mädchen betreffen. Auf dieser Grundlage können dann Strategien entwickelt werden, die zum Beispiel zur Werbung von neuen Junghelferinnen genutzt werden können - aber auch, um die zu fördern und zu unterstützen, die sich bereits im THW und der THW-Jugend engagieren.

Wie nehmen Sie persönlich die Rolle beziehungsweise Repräsentation von Mädchen und Frauen im THW wahr, und wo sehen Sie Verbesserungsmöglichkeiten?

Di Carlo: Ich denke, es handelt sich hier um ein gesamtgesellschaftliches Thema, das sich im THW aufgrund einer gewissen Vorurteilsbelastung stärker widerspiegelt als anderswo. Für uns liegt darin aber auch eine Chance: Wir können dazu beitragen, dieses Thema auch für die gesamte Gesellschaft zu beeinflussen. Um das zu erreichen, bräuchten wir zuerst dringend mehr weibliche Vorbilder im THW. Und zwar sowohl in den Führungspositionen der Ortsverbände als auch im Jugendverband. Insgesamt ist ein Fünftel der Junghelfenden weiblich, das zeigt sich aber nicht auf den Führungsebenen. Derzeit gibt es bei 13 Landesjugenden lediglich eine Landesjugendleiterin. Der Anspruch ist also ganz klar: Wir müssen Vorbilder schaffen. Dafür braucht es eine gezielte Förderung auf allen Ebenen, auch Vorurteile müssen abgebaut werden. Wir müssen Mädchen dazu befähigen und motivieren, selbst Führungspositionen zu übernehmen.

(Quelle: THW – Bundesanstalt Technisches Hilfswerk)