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Brüssel, 02.02.2021

Klimawandel erhöht Risiko für bewaffnete Konflikte

Diplomaten und Streitkräfte haben sich nur langsam mit den Sicherheitsfolgen des Klimawandels befasst, so das Fazit einer Untersuchungsmission des französischen Parlaments.

Die Ko-Berichterstatter der Untersuchungsmission, der sozialdemokratische Abgeordnete Alain David und der liberal-zentristische Abgeordnete Frédéric Petit (MoDem), wiesen zwar darauf hin, dass es bisher auf internationaler Ebene keinen durch den Klimawandel verursachten bewaffneten Konflikt gegeben hat, doch ihr Bericht zeigt deutlich, in welchem Ausmaß der Klimawandel zu ernsthaften internationalen Spannungen führt, sowohl für die Menschen als auch für die Staaten.

Diese Spannungen werden wahrscheinlich „in naher Zukunft“ zu bewaffneten Konflikten führen, warnten sie. „Es geht darum, diesen Konflikten zuvorzukommen, vor allem durch die entsprechende Vorbereitung unserer Armeen“, betonte der Vorsitzende des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten, der Abgeordnete Jean-Louis Bourlanges (MoDem).

„Die französischen und europäischen Armeen hinken den Amerikanern weit hinterher, die bereits 1993 einen Verteidigungsstaatssekretär für Umweltsicherheit geschaffen haben“, so Boulanges.

Weitreichende Folgen

Laut der Weltorganisation für Meteorologie war 2020 eines der drei wärmsten Jahre seit Beginn der Aufzeichnungen, wobei die 2010er Jahre das wärmste Jahrzehnt waren.

Der Zwischenstaatliche Ausschuss für Klimaänderungen, bekannt als IPCC oder Weltklimarat, gab Ende 2019 außerdem bekannt, dass der Meeresspiegel bis zum Jahr 2100 um bis zu 1,10 Meter ansteigen könnte, wenn die Treibhausgasemissionen weiterhin so rasant zunehmen.

Wüstenbildung, Küstenhochwasser und aktuelle Klimastörungen erreichen ein noch nie dagewesenes Ausmaß. Und auch extreme Wetterereignisse wie Hitzewellen, Wirbelstürme oder Überschwemmungen nehmen in Zahl und Intensität zu und verursachen erhebliche menschliche und materielle Schäden, betonen die Autoren des Berichts.

„Klimastörungen bedrohen die internationale Sicherheit. Sie werden von der großen Mehrheit der Forscher und internationalen Akteure als Risikomultiplikator [und Konflikttreiber] angesehen“, erklärte der Abgeordnete Alain David.


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„Sie erhöhen das Konfliktrisiko auf zwei Ebenen: indem sie die interne und in geringerem Maße die grenzüberschreitende Migration fördern, was zu Spannungen zwischen Gemeinschaften und Staaten führt, die, wenn sie zu bereits bestehenden Spannungen hinzukommen, zum Ausbruch von Konflikten beitragen. Auch der Klimawandel erhöht die Ressourcenknappheit“, fügte er hinzu.

Der Zugang zu Wasser, Nahrung oder Rohstoffen wird durch diese Bevölkerungsverschiebungen und die Folgen des Klimawandels selbst erschwert.

Vor allem in der Sahelzone führt die Wüstenbildung zu wirtschaftlichen und sozialen Schwierigkeiten, und „in Bangladesch ist eine grenzüberschreitende Klimamigration nach Indien sehr wahrscheinlich. Die Spannungen zwischen den beiden Ländern sind bereits jetzt sehr hoch“, so der Abgeordnete Frédéric Petit.

So könnte allein ein Anstieg des Meeresspiegels nach Angaben des IPCC 280 Millionen Menschen aus ihrer Heimat vertreiben.


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Welche Lösungen gibt es?

Die Ko-Berichterstatter stellten zudem fest, dass die Diplomaten und die Streitkräfte sich nur langsam mit den sicherheitspolitischen Folgen des Klimawandels auseinandergesetzt haben und es daher in dieser Hinsicht sowohl auf strategischer als auch auf operativer Ebene noch viel Raum für Verbesserungen gibt.

Unter den 36 Empfehlungen an die Regierung fordern die beiden Abgeordneten zunächst eine stärkere Mobilisierung der französischen und europäischen Diplomatie, um das Problem bei der Wurzel zu packen.

Zu ihren Vorschlägen gehören die Intensivierung von Maßnahmen im Klimaschutz, die Anhebung der Ziele des Pariser Abkommens auf der Klimakonferenz COP26 sowie eine Reform der Klimafinanzierung. Außerdem soll die internationale Forschung und Zusammenarbeit zu diesem Thema gefördert werden, etwa durch den neuen UN-Klima- und Sicherheitsmechanismus oder eine neue Resolution des Sicherheitsrats.

In Bezug auf die Migration hielten die beiden Abgeordneten es für unerlässlich, einen besser schützenden Rechtsrahmen für klimabedingte Vertriebene zu schaffen. Weiterhin forderten sie eine faire Aufteilung der natürlichen Ressourcen „mit allen verfügbaren diplomatischen Mitteln“.

Schließlich empfahlen die Berichterstatter, so schnell wie möglich eine hochrangige strategische Debatte über das Thema zu starten, um die Streitkräfte auf den Klimawandel vorzubereiten und sie entsprechend zu schulen.


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Besser spät als nie?

Während das United States Army War College bereits im Oktober 2019 einen Bericht über die Auswirkungen des Klimawandels auf das US-Militär veröffentlichte, hinkt auch Europa nicht mehr hinterher.

Im vergangenen November präsentierte der Europäische Auswärtige Dienst (EAD) einen Fahrplan, um die Zusammenhänge zwischen Klimawandel und Verteidigung zu thematisieren, und schlug insbesondere vor, diesen Parameter in die Verteidigungsmaßnahmen der EU zu integrieren, auch im Rahmen der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik.

In der Praxis zielt diese Strategie darauf ab, die militärische Bereitschaft in vom Klimawandel betroffenen Regionen zu verbessern.

Darüber hinaus wurde im Februar 2019 ein Internationaler Militärischer Klima- und Sicherheitsrat (IMCCS) ins Leben gerufen, der hochrangige Militärs, Experten und Sicherheitsinstitutionen aus rund 30 Staaten wie Deutschland, Sudan, Großbritannien, Italien und den USA zusammenbringt. Die Organisation widmet sich der Antizipation, Analyse und Bewältigung von Sicherheitsrisiken im Zusammenhang mit dem Klimawandel.

(Quelle: EURACTIV)