Berlin, 11.09.2011
BIGS - Lessons ten years after 9/11
In der indischen Führung gibt es erhebliche Bedenken gegen einen Abzug der Internationalen Schutztruppe (ISAF) aus Afghanistan. Der Militäreinsatz solle nicht beendet und vor allem kein Abzugsdatum benannt werden, forderte Dr. Suba Chandran, Direktor des „Institute of Peace and Conflict Studies“/Neu Delhi (IPCS), im Gespräch mit PUBLIC SECURITY in Berlin. Chandran sprach auf einer Tagung des „Brandenburgischen Instituts für Gesellschaft und Sicherheit“ (BIGS).
„Das kann ich nur bestätigen“, resümierte Gisela Piltz, die innenpolitische Sprecherin der FDP-Bundestagsfraktion, ihre frischen Eindrücke eines fünftägigen Informationsbesuches in Indien. Ihre Gesprächspartner hätten „Angst davor“ geäußert, „dass wir Afghanistan verlassen, dass alles so ist wie vorher“. Mittlerweile gravierende Zweifel an der Mission offenbarte dagegen Dr. Dieter Wiefelspütz, der innenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion. Die Vorstellung, Deutschland werde am Hindukusch verteidigt, sei „relativ abwegig“. Der damalige Verteidigungsminister Peter Struck hatte den Einsatz so begründet. „Ich kann den tieferen Sinn nicht erkennen“, so Wiefelspütz. Natürlich trage man Verantwortung für die Welt, „aber nicht überall gleichermaßen“. Zugegebenermaßen habe „Afghanistan für Indien eine ganz andere Bedeutung als für Deutschland und Europa“. Man müsse sich gleichwohl fragen: „Was hinterlässt man da eigentlich?“
Dr. Suba Chandran, Direktor des „Institute of Peace and Conflict Studies“/ Neu Delhi (IPCS) |
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Aus indischer Perspektive stelle sich die Sicherheitslage anders dar, so IPCS-Direktor Chandran. Das renommierte Institut beschäftigt sich vor allem mit Südasien. „2014 werdet Ihr die Taliban und Al Quaida uns überlassen.“ Solange es Krieg in Afghanistan und Pakistan gegeben habe, seien auch die westlichen Länder sicher gewesen, so Chandran: „The war on terrorism should start now.“ In den vergangenen 15 Jahren habe Al Quaida viele radikale Gruppen absorbiert. Nach dem Tod Usama Ibn Ladens und einem Abzug bestehe die Gefahr, dass sie in alle Welt ausschwärmen könnten. |
„Wir haben das Problem nicht verursacht“, verwies Chandran auf die amerikanische Unterstützung des Widerstand gegen die sowjetische Besetzung: „Why do you want us to fight your war?“ Der afghanische Präsident Hamid Karsai werde ohne internationale Truppen wahrscheinlich nicht in der Lage sein, auch nur die Hauptstadt Kabul zu halten. „Weder Armee noch Polizei werden es können“, prognostiziert Suba Chandran. Die so oft angemahnte Exit Strategy für die Intervention spiele nur den Rebellen in die Hände: „Wenn wir solange durchhalten, gehört die Bühne uns“.
Indien sorgt sich um eine mögliche Rolle Afghanistans als „Hinterhof Pakistans“. Die beiden mittlerweile nuklear bewaffneten südasiatischen Staaten haben seit 1947 je nach Definition zwei bis vier Kriege gegeneinander geführt. Indien hat darüber hinaus mit zahlreichen weiteren gewaltsamen Widerstandsbewegungen zu kämpfen. Für eine noch „größere Bedrohung“ seines Landes als die Dschihadisten halte er den Linksextremismus, betonte Dr. Chandran. (kö)
Die Virtuelle Akademie der Friedrich-Naumann-Stiftung hat die BIGS-Tagung dokumentiert. Sie ist bei Youtube zu verfolgen:
Keynote Michael Chertoff
Keynote Dr. Suba Chandran
Keynote Prof. Dr. Robin Geiß
Panel 1 Teil 1 der Diskussion
Panel 1 Teil 2 der Diskussion
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